...Alice Coltrane? Die Musik der Witwe John Coltranes und letzten Pianistin seiner Gruppe fand in letzter Zeit vermehrt Beachtung. Auch im RollingStone-Forum wurde ihre Musik in den letzten Jahren immer wieder gehört und diskutiert, und gerade läuft eine Umfrage, in der nach den besten Alben von Alice Coltrane gefragt wird.
1937 in Detroit als Alice McLeod geboren spielt sie unter anderem mit Yusef Lateef, Kenny Burrell oder Terry Gibbs, bevor sie Pianistin der Gruppe von John Coltrane wird, den sie 1965 auch heiratet. Die Richtung von John Coltranes später Musik verändert sich auf eine Weise, dass sie heute gerne als Vorläufer oder gar Geburtsstunde des "Spiritual Jazz" betrachtet wird. Nach dem Tod, allein mit vier kleinen Kindern daheim, gelingt es Alice Coltrane, das Feuer weiter brennen zu lassen. Sie nimmt als Leaderin für Impulse mehr als ein halbes Dutzend Alben auf und produziert auch – unter vielen Jazzfans, gerade Fans von John Coltrane, umstrittene – Aufnahmen, auf denen auch John Coltrane zu hören ist. Alice Coltrane legt neue Spuren über die Aufnahmen, fügt Streicher bei, die sie selbst arrangiert.
Auch ihre eigene Musik wandelt sich. Neben dem Klavier spielt sie bereits ab dem ersten Album auch Harfe, und später immer öfter und schliesslich fast nur noch eine Wurlitzer-Orgel. Nach den Impulse!-Alben folgen in den Siebzigern vier für Warner Bros. Diese atmen einen Kalifornien-Vibe. Dorthin war Coltrane gezogen, Advaita Vedanta. Auf ihren Alben findet sich jetzt auch indisch inspirierte Musik mit Gesängen. In den Achtzigern gründet sie einen Ashram und nimmt – inzwischen ohne Plattenvertrag – vier Tapes mit Meditationsmusik auf, die sie im Eigenverlag vertreibt. 2004 folgt ein letztes Album, das wieder bei Impulse! erscheint, ihre Söhne Ravi und Oran (beide am Saxophon) wirken mit, ebenso wie der alte Mistreiter Charlie Haden, aber auch neue, jüngere Musiker. Und auch die Sängerinnen aus ihrem Ashram fehlen nicht. Ein schönes Spätwerk, das den Bogen der Musik von Alice Coltrane noch einmal nachzieht. Im Januar 2007 stirbt Coltrane im Alter von 69 Jahren.
Diese erste Sendung präsentiert Material, das ich nicht in der von längerer Hand geplanten nächsten Folge von gypsy goes jazz unterbringen konnte. Eine Lücke im Programm bietet die Möglichkeit, mehr Musik von ihr zu spielen. Da die Sendung sehr kurzfristig zusammengestellt wurde, ist sie ausnahmsweise unmoderiert. Die – wieder wie üblich moderierte – Fortsetzung folgt am Dienstag 14. September um 22 Uhr.