Lee Konitz starb am 15. April im Alter von 92 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion. Der am 13. Oktober 1927 in Chicago geborene Altsaxophonist konnte auf eine Karriere zurückblicken, wie sie nur wenigen Jazzmusikern vergönnt ist. Konitz etablierte sich schon Ende der Vierzigerjahre als eine neben dem überragenden Charlie Parker völlig eigenständige Stimme. In seinen frühen Jahren gehörte er zum Umfeld des Pianisten Lennie Tristano und wirkte bei den legendären Sessions von Miles Davis' Tuba-Band mit, die später unter dem Titel "Birth of the Cool" gesammelt wurden. In den frühen Fünfzigern spielte er mit der Big Band von Stan Kenton und begann, sich von Tristano zu lösen. In der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre nahm Konitz als Leader u.a. für die Label Atlantic und Verve auf, es entstanden wunderbare Alben mit Musikern wie Warne Marsh, Billy Bauer oder Jimmy Giuffre. 1961 legte er mit "Motion" ein Meisterwerk vor, bei dem Elvin Jones, der Drummer von John Coltrane, mitwirkte. Aus den Sechzigern gibt es nur wenige Aufnahmen, doch begann Konitz damals schon seine langjährige Zusammenarbeit mit dem französischen Pianisten Martial Solal. Ab den Achtzigern legte Konitz eine lange Reihe von Alben in unterschiedlichen Besetzungen und mit unzähligen Mitmusikern vor. Sein Spiel blieb bis zum Ende frisch und überraschend, nie fiel er in Licks oder eingeübte Patterns sondern folgte spontan seinen melodischen Eingebungen. Ich hörte Konitz in den späten Neunzigern erstmals im Trio mit Steve Swallow und Paul Motian, und dann in den Zehnerjahren noch zweimal mit dem Trio Minsarah des deutschen Pianisten Florian Weber, das durch Konitz regelmässig zum Quartett erweitert wurde.