Die dritte Folge von Goin' West, die der kalifornischen Avantgarde gewidmet ist, stellt drei Musiker vor, denen der grosse Ruhm verwehrt blieb. Sie alle machten und machen eher stille Musik, die mehr an melodischen Finessen interessiert ist als an der grossen Geste - ohne dass darob der swingende Drive des Jazz vergessen gerät.
Warne Marsh (1927-1987) stammte aus Kalifornien. Er spielte in den Vierzigern mit Lennie Tristano - wir hörten Kostproben in Folge #14 von gypsy goes jazz. In den Sechzigern ging der Tenorsaxophonist wieder nach Kalifornien und lebte zurückgezogen. Mit seinem Album "Ne Plus Ultra" (Revelation, 1969) gelang ihm ein überzeugendes Statement, das auch aufgrund seiner Rarität beinah kultischen Status erlangen sollte. Jahre später erschien es auf CD beim Basler Label Hat Hut - und löste ein, was man vom Hörensagen erhoffte. Marsh nahm in den Siebzigern u.a. auch wieder mit Lee Konitz auf, seinem alten Gefährten aus Tristano-Tagen. Für Chuck Nessa aus Chicago entstand schliesslich mit "All Music" ein weiteres überragendes Album - u.a. mit Lou Levy am Klavier, einem Pianisten aus der windy city, der vor allem in Kalifornien aktiv war und Marsh als Sideman öfter begleitete. Marshs eigene, nach der Zeit bei Tristano entstandene Musik präsentiert einen überaus eigenwilligen Improvisator dessen Spiel durch feinste rhythmische Nuancen beeindruckt - bei zugleich grösster Konzentration auf die Linie, die Melodie, ganz wie es sein Meister Tristano gelernt hat.
Der Saxophonist und Flötist Anthony Ortega wurde 1928 in Los Angeles geboren, einer seiner wichtigen frühen Gigs war bei Lionel Hampton, mit dessen Band er 1953 durch Europa tourte. Auch er kehrte in den Sechzigern nach Kalifornien zurück und bewegte sich meist fernab vom Rampenlicht. Und auch er spielte für das kleine Label Revelation hervorragende Aufnahmen ein, die später bei Hat Hut auf CD neu aufgelegt wurden. Als Session-Musiker ist er u.a. auf Frank Zappas "The Grand Wazoo" zu hören. Sein Saxophon bewegt sich in quecksilbriger Manier zwischen den Polen Charlie Parker und Ornette Coleman.
Der Pianist Denny Zeitlin (*1938) stammt aus Chicago und finanzierte sein Medizinstudium mit Auftritten als Jazzmusiker, arbeitete nach seiner Promotion als Arzt und leitete nebenher ein Trio mit Charlie Haden und Jerry Grannelli. Noch vor seiner Promotion wurde John Hammond von Columbia Records auf Zeitlin aufmerksam - seine erste Aufnahme machte er als Sideman mit Jeremy Steig (1942-2016), das exzellente Resultat hiess "Flute Fever" und ist derzeit auf CD wieder greifbar. 1964 zog Zeitlin nach Kalifornien, wo er bis heute lebt und ab 1968 an der Universität in San Francisco als Professor für Psychiatrie wirkte. Auch in seinem Spiel finden verschiedene Einflüsse zusammen: vom impressionistischen Jazz von Bill Evans bis hin zum freien Spiel Ornette Colemans. Dass dieser einzigartige Musiker bis heute in der Jazzgeschichte gerne übersehen wird, ist mehr als bedauerlich.