Die kommenden Folgen von gypsy goes jazz knüpfen an die fünfte Folge der Reihe an. Story of Jazz 1925-1943 präsentierte im Schnelldurchlauf einen Überblick von Louis Armstrong bis kurz vor dem Aufkommen des modernen Jazz in den Vierzigerjahren. Das Augenmerk lag damals schon auf der Swing-Ära, in der auch Coleman Hawkins und Lester Young ihre Karrieren starteten.
In der Swing-Ära fanden Jazz und Pop zusammen, die Big Bands setzten sich durch und spielten in Ballsälen zum Tanz auf. Der rohe Beat und die kollektiven Improvisationen des frühen Jazz aus New Orleans machten Platz für immer raffiniertere Arrangements und einen gleichmässigeren four-to-the-bar-Rhythmus. Chick Webb leitete schon 1931 in Harlem eine Swing-Band, auch aus Kansas City kamen schon früh Musiker, die diese flüssigere Spielweise perfektionierten: Bennie Moten hiess der bekannteste Bandleader, zu seinen Sidemen zählten Walter Page, Count Basie oder Oran "Hot Lips" Page. Basie sollte später die Leitung der Band übernehmen und 1936 eine lange Karriere starten, deren erste und wichtigste Phase in der Sendung über Lester Young vorgestellt wurde. Die bedeutendste frühe Big Band des Jazz leitete allerdings Fletcher Henderson. Bei ihm begann wiederum die Karriere von Coleman Hawkins.
Der eigentliche Beginn der Swing-Ära fiel ins Jahr 1935 und katapultierte die Big Band von Benny Goodman an die Spitze. Dieser profitierte von der schwierigen wirtschaftlichen Lage anderer Bandleader und holte sich zum Beispiel Fletcher Henderson als Arrangeur. Die "Rassen"trennung war in den Vereinigten Staaten noch weit verbreitet. Dass es primär weisse Bandleader waren, denen der grosse kommerzielle Erfolg beschieden war, verwundert nicht weiter. Zu den besten Bands der Swing-Ära sind zweifellos auch die verschiedenen Orchester von Artie Shaw zu zählen.
Doch auch schwarze Bandleaader wie Duke Ellington, Count Basie oder Andy Kirk leiteten hervorragende Orchester - die den Musikern meist mehr Freiräume gewährten und die Musik auch aktiver weiterentwickelten. Zu Benny Goodmans Verdiensten zählt es allerdings, dass er früh schon schwarze Musiker in seine Band holte. Auch sein famoses Trio mit Teddy Wilson und Gene Krupa, das später durch Lionel Hampton zum Quartett anwuchs, war gemischt. Darin nahm er vorweg, was später auch Norman Granz durchsetzen sollte, dessen Jazz at the Philharmonic wir in der Sendung hörten, die der Jam Session gewidmet war.
Mit Musik von Benny Goodman und Artie Shaw rückt die Klarinette in den Mittelpunkt, die in den bisherigen Sendungen eher ein Schattendasein führte. Auch die Orchester von Fletcher Henderson, Andy Kirk, Chick Webb, Bennie Moten, Teddy Wilson oder Duke Ellington werden zu hören sein. Hingegen bleibt kein Raum für Jimmie Lunceford und Count Basie, die in früheren Sendungen bereits ausführlicher gespielt wurden. In diesem Sinn zieht die Sendung einen neuen Kreis um die bisherigen, ganz gemäss dem Konzept, Verknüpfungen, Entwicklungen und Einflüsse zu verfolgen und - hoffentlich! - die Neugierde auf mehr zu fördern, denn bereits am Donnerstagabend geht es weiter mit gypsy goes jazz, die elfte Folge widmet sich dem Wandel in den frühen Vierzigern, an dessen Ende der Bebop stand.
(Flurin Casura)