Am 16. Juli verstarb Irène Schweizer, vermutlich die bedeutendste Jazzmusikerin der Schweiz (Männer mitgemeint). Die grossartige Pianistin, geboren am 2. Juni 1941 in Schaffhausen, fängt früh an, Klavier zu spielen. Schnell findet sie zum Jazz, bald wechselt sie vom traditionellen Dixieland zum modernen Jazz, der in den Fünfzigern auch in Europa allmählich aufkommt. 1962 kommt Dollar Brand ins Zürcher Exil, 1964 folgen die Blue Notes um Chris McGregor nach. Sie treten im Africana auf, wo auch jüngere lokale Musikerer – und eine Musikerin: Irène Schweizer – auftreten können und die wilde Musik der Südafrikaner aufsaugen. Schweizer gründet bald ihr erstes Trio mit Uli Trepte (b) und Mani Neumeier (d), zieht mit ihnen durch Europa, kommt mit der Wuppertaler Szene um Peter Brötzmann in Kontakt, tritt in Berlin auf. In den späten Sechzigern beginnt ihre Zusammenarbeit mit dem Schlagzeuger Pierre Favre, zunächst im Trio mit Peter Kowald. In den Siebzigern politisiert Schweizer sich, lebt in Zürich in einer WG, engagiert sich in der Homosexuellen Frauengruppe im ersten autonomen Frauenzentrum der Stadt. Sie tritt inzwischen häufig solo auf, stösst dann zur Feminist Improvising Group, die die Männerwelt gehörig vor den Kopf stösst. In den Achtzigern erhält ihre Karriere Auftrieb, das Label Intakt Records wird in Zürich gegründet mit dem Ziel, diese bedeutende Musikerin zu dokumentieren. Schweizer beginnt eine Reihe von Duos mit Schlagzeugern: Louis Moholo (der Jahre zuvor mit den Blue Notes nach Zürich gekommen war), Han Bennink, Andrew Cyrille, Günter Sommer aus der DDR und natürlich Pierre Favre. Später tritt sie auch im Duo mit Hamid Drake oder Joey Baron auf. Schweizer erorbert die grossen Hallen, tritt solo im Schauspielhaus Zürich, im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum oder in der Zürcher Tonhalle auf. Dabei bleibt sie sich bis zum Schluss treu. Sie weiss genau, was sie kann, aber ihr bleibt jeder Hype fremd. Neugierig ist sie immer wieder bei Konzerten von Kolleg*innen zu sehen. Vor ein paar Jahren zog Schweizer sich zurück und ist im Juli nach langer Krankheit gestorben.