...William Emmanuel Huddleston kam 1932 in Chattanooga, Tennessee zur Welt. Seine Eltern zogen mit ihm nach Detroit, wo er mit anderen künftigen Jazzgiganten wie Lucky Thompson und Milt Jackson zur Schule ging. Der junge Musiker nannte sich bald William Evans, spielte das Altsaxophon, wechselte dann zum Tenor. 1948 stiess er für zwei Jahre zur Big Band von Dizzy Gillespie, im selben Jahr konvertiere er zum Islam, und ab 1950, dem Jahr seiner Rückkehr nach Detroit, nannte er sich Yusef Lateef. Mitte der Fünfziger gründete er seine eigene Band. Ab 1957 entstand in New York eine lange Reihe Alben mit Lateefs Quintett. Erst 1960 zog er wieder dauerhaft nach New York. Lateef war inzwischen ein gestandener Musiker, stiess aber Ende 1961 für zwei Jahre zur Band von Julian "Cannonball" Adderley. Dadurch wuchs seine Popularität markant und ab 1964 nahm er für das Label von John Coltrane, Impulse! Records, auf. Ende der Sechziger wechselte Lateef zu Atlantic, mit dem Produzenten Joel Dorn entstanden abwechslungsreiche, bunte, teils eher uneinheitliche Alben, die manchmal in Richtung Kommerz schielten, aber weiterhin viel gute Musik von Lateef enthielten
Als Instrumentalist hatte er schon in den mittleren Fünfzigern die Querflöte zu seinem Arsenal hinzugefügt. Ab 1958 erlernte er auch die Oboe, unter anderem beim Solo-Oboisten des Detroit Symphony Orchestra. Bei Adderley spielte er alle drei Instrumente. Schon in den Fünfzigern tauchten aber auch verschiedene Percussions-Instrumente, Gongs usw. auf, der Bassist Ernie Farrow (als Halbbruder von Alice Coltrane wurde er später zum Schwager John Coltranes) spielte auch eine traditionelle (Bass/Begleit-)Laute, die Rabāb, die vom Maghreb über den Nahen Osten bis nach Südostasien in verschiedenen Varianten bekannt ist. In den Sechzigern spielte Lateef dann auch die nordindische Shenai (ein Doppelrohrinstrument wie die Oboe), die Rohrflöte Argul, die mit einem einfachen Blatt (wie bei der Klarinette oder dem Saxophon) gespielt wird, aber eine zweite Röhre hat, die einen Bordunton erzeugt (ähnliche wie beim Dudelsack, aber natürlich viel weniger voluminös), selbstgebaute Bambusflöten usw.
Yusef Lateef war nicht nur ein begnadeter Tenorsaxphonist mit voluminösem Ton und mitreissendem rhythmischen Drive, sondern neben Eric Dolphy damals der wohl beste Jazzflötist, zudem der erste wichtige Oboist des Jazz - und ein Pionier dessen, was bald Weltmusik heissen sollte. Doch bei ihm verschmolzen alle diese Dinge zu einer gesamtheitlichen Musik. Autophysiopsychic-Musik bevorzugte er später als Bezeichnung, "Jazz" mochte er nicht, verrauchte Clubs mit Alkoholkonsum lehnte er ab den Achtzigern ebenso ab, experimentierte auf den Gebieten des Third Stream (das Etikett bezeichnet eine dritte Musikrichtung neben bzw. zwischen Jazz und Klassik und ist unter Jazzfans eher verschrien) und sogar des New Age (inklusive Grammy 1987). Lateef schrieb Gedichte, Orchester- und Kammermusik, eine Autobiographie; und er gründete sein eigenes Plattenlabel YAL, auf dem all seine verschiedenen Tätigkeitsfelder dokumentiert wurden - und da gehörte bis zum Schluss auch der Jazz dazu. In den Neunzigern nahm er z.B. mit anderen Tenorsaxophonisten auf, unter ihnen Archie Shepp und Von Freeman. Der Ethnomusikologe und Percussionist Adam Rudolph wurde zu einem treuen Begleiter, die beiden komponierten sich gegenseitig ein kammermusikalisches Konzert auf den Leib. Bis wenige Jahre vor seinem Tod war Lateef auch auf den Bühnen der grossen Festivals in Europa zu erleben. Seine einzigartige Karriere dauerte mehr als sechs Jahrzehnte und umfasst eine grosse Zahl hervorragender Aufnahmen, aus denen in der zweistündigen Sendung einige der schönsten vorgestellt werden.
Achtung: aus Anlass der 100. Folge dauert diese Sendung 2 Stunden und beginnt bereits um 21 Uhr!