1957 war in der Karriere von John Coltrane ein Schlüsseljahr. Nach einer ersten längeren Phase bei Miles Davis in den Jahren 1955/56 schmiss dieser den Spätzünder am Saxophon aus seiner Band - Davis, der sich ein paar Jahre vorher von den Drogen gelöst hatte, kam mit den Junkies in seiner Band (Coltrane und Drummer Philly Joe Jones) nicht mehr klar.

Coltrane stiess für mehrere Monate zur Combo von Thelonious Monk. In keinem Jahr nahm er so oft auf wie 1957, was es uns erlaubt, die gewaltigen Fortschritte, die er machte, nachzuvollziehen. Das tägliche Üben und die allabendlichen Auftritte mit Monk im Five Spot in New York führten zu einem Reifungsprozess des Saxophonisten, der danach wieder zu Miles Davis zurückkehrte und mit diesem die beiden grandiosen Alben "Milestones" und "Kind of Blue" einspielte.

In dieser zweiten Monk gewidmeten Sendung, die zugleich den Auftakt einer losen Folge von Sendungen über Coltrane bildet, dreht sich alles um die Zusammenarbeit der beiden Musiker.

Einen Überblick über Monks Karriere habe ich für die letzte Folge meiner Sendereihe erstellt. Monk war 1957 in seinem dritten Jahr bei Riverside und das Label hatte nach zwei Alben mit Standards im Vorjahr das überragende "Brilliant Corners" produziert, bei dem ihm mit Sonny Rollins der damals überragende Tenorsaxophonist zur Seite stand.

1957 folgte mit dem Album "Monk's Musik" die bis dahin ambitionierteste Produktion: im Studio fand sich ein Septett ein, in dem Coleman Hawkins, der Übervater aller Tenorsaxophonisten des Jazz und schon in den Vierzigern Arbeitgeber von Monk, mitwirkte. Neben ihm auch Ray Copeland (Trompete), Gigi Gryce (Altsaxophon), Art Blakey (Drums), Wilbur Ware (Bass) und John Coltrane (Tenorsaxophon). Die beiden letztgenannten hatte Monk schon bei einer Session für ein Stück auf seinem ansonsten allein am Klavier eingespielten Album "Thelonious Himself", dem ersten Riverside-Album von 1957, hinzugezogen. "Monk's Music" ist leider nicht so gelungen, wie man es sich wünschte, es bleibt etwas fragmentarisch, hat da und dort eher den Charakter einer Jam-Session, wie Coltrane sie in derselben Zeit für Prestige Records in grosser Zahl aufnahm.

Prestige Records ist auch gleich das nächste Stichwort: Monk war Ende 1954 oder Anfang 1955 für einen lächerlichen Betrag (er entsprach seinen Schulden bei Prestige) von Riverside quasi freigekauft worden, Coltrane stand aber bis zum Wechsel zu Atlantic Records im Jahr 1959 bei Prestige unter Vertrag. Zu einer wirklichen Zusammerarbeit im Plattenstudio konnte es unter diesen Umständen leider nicht kommen. Dennoch entstand nach der Septett-Session noch eine halbe LP im Quartett, das mit weiteren Tracks der Septett-Session und einem Outtake der "Thelonious Himself"-Soloaufnahmen gefüllt wurde. Die faszinierende Quartettsession präsentiert Monk und Coltrane in derselben Besetzung, wie sie im Five Spot spielte, mit Wilbur Ware am Bass und Shadow Wilson am Schlagzeug. Die Aufnahmen geben eine Idee vom Potential der Monk/Coltrane-Kombination - und genügten manch einem Hörer bereits, um Coltrane zum idealen Monk-Saxophonisten zu erklären.

1957 war aber auch für Monk ein einschneidendes Jahr: Er verbrachte zu Jahresbeginn nach einem Zusammenbruch ein paar Tage in einer Irrenanstalt (man geht heute davon aus, dass Monk an einer bipolaren Störung litt, die damals aber nicht diagostiziert wurde). Seine Gönnerin, die der Rothschild-Dynastie entstammende Baronesse Pannonica de Koenigswarter (aka "Nica"), kümmerte sich darum, dass er wieder herauskam. Mit ihrer Hilfe gelang es auch, Monks Cabaret Card zurückzuerhalten, die de facto Arbeitsbewilligung für New York. Im Five Spot in der Bowery fand Monk dann eine Art zweites Zuhause, wo er längere Zeit jedes Jahr mehrere Monate lang auftreten konnte.

Eine Live-Aufnahme aus dem Five Spot, die man für einen Mitschnitt derselben Combo hielt, und die Coltrane in grossartiger Form präsentiert, kommt leider in sehr bescheidener Qualität daher. Die Amateuraufnahme erschien auf Blue Note unter dem Titel "Live at the Five Spot - Discovery!" und entstand, so stellte sich später heraus, erst im Folgejahr, als Coltrane für seinen Nachfolger Johnny Griffin einsprang. Die Rhythmusgruppe bestand damals aus Ahmed Abdul-Malik am Bass und Roy Haynes am Schlagzeug.

Im Herbst 2005 veröffentlichten Mosaic Records und Blue Note Records die LP- bzw. CD-Ausgabe eines sensationellen Fundes: "Thelonious Monk Quartet with John Coltrane at Carnegie Hall". Das Album präsentiert zwei nahezu vollständige Sets des Quartetts gegen Ende von seiner Existenz. Wir hören Coltrane, Monk, Abdul-Malik und Wilson in angemessener Qualität - und unseren Ohren bieten sich musikalische Feuerwerke ohne Vergleich!