Paul Bley, der Pianist aus Montréal, verstarb Anfang Januar im Alter von 83 Jahren. Er war ein stiller Revolutionär des Jazzpianos, ja des Jazz. Seine Anfänge lagen noch in Kanada, er spielte mit Charlie Parker, als dieser in Montréal war, spielte auch mit Lester Young oder Ben Webster und nahm bald ein Trio-Album für Charles Mingus Label Debut Records auf. 1958 treffen wir Bley in Kalifornien, wo ein Quintett unter seiner Leitung im Hillcrest Club auftritt - mit dabei: Ornette Coleman, Don Cherry, Charlie Haden und Billy Higgins (Bley war der letzte Überlebende dieser Supergroup des Free Jazz).
Bleys Klavierspiel war sparsam, harmonisch offen - so passte es auch zu Ornettes Musik. Er schaffte die Gratwanderung, das Klavier in die freie Musik einzuordnen auf ganz andere, stillere Weise als es Cecil Taylor in denselben Jahren anpackte. Zum brachialen Free Jazz zog es Bley nicht, obwohl er für ESP-Disk' mit "Barrage" auch ein wildes Avantgarde-Album im Quintett einspielte - mit dabei Marshall Allen, der Saxophonist von Sun Ra.
Bley spielte an der Seite von Bill Evans (dem wohl ähnliche Wege offengestanden hätten, wie Bley sie ging, der sich aber für den Mainstream entschied) in der Band von George Russell, war Mitglied des bahnbrechenden Trios von Jimmy Giuffre (mit Steve Swallow am Kontrabass), nahm in den Sechzigern eine lange Reihe hervorragender Trio-Sessions auf, stiess mit "Open, to Love" (ECM, 1972) den Trend zum Solo-Piano-Album an, arbeitete eng mit seinen zwei Partnerinnen Carla Bley und Annette Peacock zusammen, deren Kompositionen zeitlebens den Kern seines Repertoires ausmachten. Neben Solo- und Trio-Aufnahmen entstanden auch eine Reihe von Duos (zum Beispiel mit dem Schlagzeuger Paul Motian oder mit Annette Peacocks vormaligem Ehemann Gary am Bass), Kollaborationen mit so unterschiedlichen Musikern wie John Surman oder Chet Baker, Bands mit Gitarristen wie John Scofield und John Abercrombie, Ende der Sechziger für eine kürzere Zeit ein gargantisches Synthesizer-Projekt mit Annette Peacock, Reunions mit Giuffre und Swallow (der inzwischen auf die Bassgitarre umgestiegen war).
Bleys Musik ist mir schon lange bedeutend, sein Mut zur Melodie, die aber immer wieder kippt, ins Spröde, ins Schroffe, in die Reduktion. Die Ironie, die brüchige Kontinuität, die Offenheit der Form, die Abstraktion - all das hat seine Wurzeln schon in der Gruppe von Jimmy Giuffre, in der Bley zugleich Wege für seine eigene Musik fand.
Eine Stunde reicht natürlich nicht, um Bleys grosses Werk umfassend vorzustellen, doch wird in der Sendung für Abwechslung gesorgt sein, auch wenn vieles weggelassen werden muss und der Fokus eher auf nachdenklichen Stücken liegen wird.