In dieser Ausgabe von gypsy goes jazz steht noch einmal San Francisco im Mittelpunkt. In der Nachkriegszeit blühte in der Stadt eine Dixieland-Szene; der moderne Jazz schlug sich erst durch den allmählichen Erfolg der Unternehmungen Dave Brubecks eine Bahn. Sein Oktett, sein Trio und die ersten Aufnahmen im Quartett mit Paul Desmond hörten wir in der letzten Sendung, diesmal stehen die beiden anderen grossen Namen der Stadt im Zentrum: Cal Tjader und Vince Guaraldi.

Cal Tjader (1925-1982) war der unwahrscheinlichste Kandidat am unwahrscheinlichsten Ort, doch es gelang ihm, an der Westküste eine genuine Mambo-Band zu gründen. Eine Band, die nach Anfängen, bei denen Xavier Cugat gar nicht weit entfernt war, rasch Fortschritte machte und den Latin Jazz massgeblich prägen sollte. Tjader hatte nach seiner Zeit in den Formationen von Dave Brubeck mit dem erfolgreichen Quintett des englischen Pianisten George Shearing gespielt, der seinerseits gerne auch Latin Percussion in der Band hatte - Armando Peraza, der Conguero von Shearing, stiess später auch zu Tjader und gehörte ein Jahrzehnt danach zu einer weiteren Band, die in Kalifornien mit einer Latin-Synthese für grosses Aufsehen sorgte: Santana. Auf Tour mit Shearing hörte Tjader an der Ostküste auch die Gruppen von Machito und Tito Puente und fasste seinen Entschluss. Zurück in San Francisco gründete er seine Band, in der bald Musiker wie Vince Guaraldi, der Gitarrist Eddie Duran oder Al McKibbon spielten. Dieser war einst Bassist in der Big Band von Dizzy Gillespie, einer der wichtigsten Bands für die Entwicklung des Latin Jazz.

Der Pianist Vince Guaraldi (1928-1976) tourte in den Fünfzigern auch mit Woody Herman und leitete ein eigenes Trio mit Eddie Duran und dem Bassisten Dean Reilly. Doch erst in den frühen Sechzigern wurde er endgültig zum Bandleader. Mit "Cast Your Fate in the Wind" landete er umgehend einen Hit, der ihn - als dritten aus der Jazzszene San Franciscos neben Brubeck und Tjader - einigermassen komfortabel durch die Dürreperiode führte, die der Jazz ab Mitte der Sechziger durchmachte.

Ein weiterer ehemaliger Tjader-Sideman, der über alles verfügte, um sich durchzusetzen, war der Tenorsaxophonist Brew Moore (1924-1973). Er machte Mitte der Fünfzigerjahre zwei Alben für Fantasy Records, verschwand dann aber recht bald wieder von der Bildfläche und verbrachte schliesslich die grösste Zeit bis zu seinem frühen Tod in Europa.

Auch aus San Francisco stammen der Saxophonist Jerome Richardson (1920-2002) und der Pianist Richard Wyands (*1928). Beide waren in den Fünfzigern ebenfalls mal in Tjaders Gruppe, gingen aber nach New York, wo sie ein paar gemeinsame Aufnahmen machten, bevor Wyands vor allem mit Kenny Burrell spielte, während Richardson als Multiinstrumentalist zum gefragten Session-Musiker wurde, der aber auch an Aufnahmen wie Charles Mingus' "Black Saint and the Sinner Lady" mitwirkte (auch Wyands hat mit Mingus ein Album aufgenommen) und zu einem der Stützpfeiler der neuen Big Band wurde, die Thad Jones und Mel Lewis Mitte der Sechziger als Rehearsal Band gründeten.

Bevor Paul Desmond mit Dave Brubecks Gruppe den ganz grossen Durchbruch schaffte, machte er in Kalifornien auch ein paar Aufnahmen unter eigenem Namen. Daraus werden wir eine Kostprobe hören, ebenso wie die Gitarre von Eddie Duran zu hören sein wird, das Altsaxophon von Jerry Dodgion, das Tenorsaxophon von José "Chombo" Silva oder - der "ringer" des heutigen Abends - die Sandole Brothers mit einem illustren Gast.